Otto F. Kernberg

Dozent der Kölner Therapietage 2009

Otto F. KernbergOtto Kernberg wurde von drei verschiedenen Kulturen maßgeblich beeinflusst. Geboren in Wien, emigrierte er mit seinen Eltern 1939, um der Verfolgung des Naziregimes zu entkommen. Ãœber Italien gelangte er nach Chile, wo er seine schulische und universitäre Ausbildung absolvierte. Lehr- und Forschungs­aufträge führten ihn in den sechziger Jahren über Kansas und Maryland nach New York. Dort erhielt er eine Professur für Psychiatrie an der Cornell University, an der er bis heute arbeitet und lehrt. Dennoch fühlt er sich bis heute in der europäischen Kultur tief verwurzelt, in seiner Praxis hängt eine Zeichnung seiner Geburtsstadt Wien.

Der Name Otto Kernberg bringt Berufs­kollegen dazu, in Superlativen zu sprechen. Kernberg wird als einer der führenden und einflussreichsten Denker in der Psychiatrie und Psycho­analyse angesehen und gilt als der am häufigsten zitierte Psycho­analytiker der Welt. Das Ausmaß seiner Produktivität, seines Engagements und seines Leistungs­spektrums ist faszinierend. Noch heute absolviert er, Jahrgang 1928, ein ungeheures Arbeitspensum, forscht und entwickelt, schreibt, lehrt. Kein großer psycho­therapeutischer Kongress, der sich nicht gerne mit seinem Namen ziert. Otto Kernberg ist mit zahllosen Aus­zeichnungen, Ehrungen und Titeln hoch dekoriert. Und dennoch ist ihm der unmittelbare, persönliche Patienten­kontakt, die eigene therapeutische Arbeit bis heute sehr wichtig geblieben.

Sein umfangreiches Lebenswerk ist gekennzeichnet durch einige heraus­ragende Arbeiten. Als einer seiner wichtigsten entwicklungs­theoretischen Beiträge wird die Integration der Objekt­beziehungs­theorie von Melanie Klein in die amerikanische Ich­psychologie der 50er Jahre angesehen. Seine Weiterentwicklung der Objekt­beziehungs­theorie fokussiert die Qualität früher Beziehung und Bindung als grundlegend für die Persönlichkeits­entwicklung.

Im Rahmen eines Forschungsprojekts wertete er mit akribischer Genauigkeit unzählige Therapie­protokolle seiner Kollegen aus und leitete aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen eigene psychoanalytische Behandlungs­methoden für Borderline-Patienten ab. Damit lenkte er das Interesse seiner Berufs­kollegen auf dieses Störungsbild, das zuvor häufig falsch diagnostiziert und unzulänglich behandelt wurde. Auch für andere Persönlichkeits­störungen gewann er bahnbrechende diagnostische Erkenntnisse aus seinen Untersuchungen.

Er entwickelte eine eigene Behandlungs­methode, die Ãœbertragungs­fokussierte Psycho­therapie, und führte diese in kontrollierten Studien einer empirischen Ãœberprüfung zu. So wurde er zum Pionier und Verfechter wissenschaftlicher Forschung, der den Versuch wagt, die Psycho­analyse aus dem Nebel persönlicher Wirksamkeits­Ã¼berzeugungen auf das Niveau evidenzbasierter Wissenschaftlichkeit zu heben.

Veröffentlichungen von Otto F. Kernberg (PDF)


Das war der Beitrag 2009:

WS 9: Übertragungsfokussierte Psychotherapie bei neurotischer Persönlichkeitsstruktur
Die übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP) ist eine aktualisierte Form der psycho­analytischen Psycho­therapie. Sie wurde für Patienten entwickelt, die über eine integrierte Identität und überwiegend höhere Abwehr­mechanismen verfügen und unter einer Persönlichkeits­störung leiden, die durch besondere charakterliche Rigiditäten gekennzeichnet ist.
Zunächst soll ein kurzer Ãœberblick über die wichtigsten Persönlichkeits­störungen dieser höheren Strukturebene gegeben werden. Die Differential­diagnostik sowie Indikation und Kontra­indikation für die Anwendung von TFP bei diesen Störungen wird besprochen.
Strategien, Taktiken und Techniken der TFP werden analysiert. Hierzu werden folgende Aspekte näher untersucht: defensives Vorgehen, Ãœbertragung­sanalyse, Gegenübertragung, Charakter­analyse und das Spektrum der interpretierenden Interventionen.
Klinisches Fallmaterial soll das technische Vorgehen illustrieren. Abschließend werden die Unterschiede zu alternativen psycho­dynamischen Ansätzen skizziert.
31.10.2009, 9:45 – 13:00 Uhr (ausgebucht)

V 5: Mentalisierung, Achtsamkeit, Interpretation und Spaltung
In der psychodynamischen und in der Kognitiv-behavioralen Therapie wurden verschiedene Betrachtungsweisen und Denkansätze zur Selbstreflektion entwickelt. Diese unterschiedlichen Konzepte und deren klinische Implikationen werden am Beispiel ihrer Sicht frühkindlicher und reiferer seelischer Zustände verglichen.
Die wichtige wechselseitige Beziehung zwischen Selbstreflektion und der Fähigkeit zur Integration einander widersprechender seelischer Zustände wird verdeutlicht: Im Zuge der Entwicklung können frühkindliche Spaltungen interpretierend überwunden und in eine höhere Mentalisierungsebene überführt werden. In diesem Zusammenhang werden die beiden miteinander verwandten Konzepte der Empathie und der Einsicht als Bestandteil höher entwickelter Selbstreflektion untersucht.
01.11.2009, 8:30 - 9:15 Uhr